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Der Richtige zur richtigen Zeit

Begegnung mit dem Doyen der Photographie in Deutschland: L. Fritz Gruber wird 90 Jahre alt

Susanne Boecker


„Ich weiß nicht, ob ich mich jetzt sehr verfranst habe. Sie müssen mich bremsen!“ Unterbrechen möchte man nicht, denn L. Fritz Gruber hat einfach zu viel Interessantes zu erzählen. Gerne holt er aus, ergänzt, fügt hier noch eine Story hinzu, weiß da noch ein paar Anekdoten und Begebenheiten aus seinem Leben zu berichten – aus einer Vita, die nicht zu trennen ist von der Geschichte der Photographie in Deutschland.

L. Fritz Gruber gilt als Doyen der Photographie in Deutschland, als derjenige, der das Medium hierzulande nicht nur gesellschaftsfähig, sondern auch hoffähig gemacht hat. Mit den zahlreichen von ihm eingerichteten „Bilderschauen“ auf der Kölner Photokina konnte er ein wirklich breites Publikum für Photographische Bilder begeistern und ebnete diesen damit auch den Weg ins Museum. Dort, im Kölner Museum Ludwig, befindet sich auch ein großer Teil seiner eigenen Photosammlung, den er dem Haus gestiftet hat. Was diese an „Zärtlichen Betrachtungen schöner Damen“ zu bieten hat, kann derzeit in einer Sonderausstellung bewundert werden.


Am Anfang das Auge

Am Sonntag feiert L. Fritz Gruber seinen 90. Geburtstag – ein willkommener Anlass, ihn aus seinem „Leben mit der Photographie“ berichten zu lassen. Ausgangspunkt dieser ungewöhnlichen Biographie war das Auge: Von Kind an „von allem Visuellen“ fasziniert (Gruber unternahm sogar den Versuch, Maler zu werden, erkannte hier jedoch schnell seine Grenzen), blieb ein lebenslanges Interesse an allen sichtbaren kulturellen Äußerungen – Malerei, Grafik, Film, nicht unwesentliche der Mode und insbesondere der Photographie: „ Die Photographie ist immer mit der Realität verbunden. Es gibt kein Photo vom Nichts – sie muß immer etwas darstellen. Aber die begabten Anwender der Photographie haben die Möglichkeit, die künstlerisch zu erhöhen. Ich sage immer: »Phtographie ist keine Kunst, aber sie kann Kunst sein.« Und das hat mich immer fasziniert.“ So studierte Gruber in den 20er Jahren eifrig die einschlägigen Publikationen des Allstein-Verlages – die „Berliner Illustrierte Zeitung“, „Die Dame“, den „Uhu“ – in denen später berühmt gewordene Namen wie André Kersetesz, Man Ray, Erich Salomon oder Albert Renger-Patzsch zuerst auftauchten.

Bereits früh erwachte die Sammelleidenschaft, der Gruber zunächst durch Ausschneiden der Bilder aus Zeitschriften Rechnung trug. „Dann habe ich versucht, Kontakt mit den Photographen zu bekommen – damals waren die Photographen sozusagen gerührt, daß jemand sie um Bilder bat. So schrieb ich auch an Dr. Erich Salomon, der ja später von den Nazis ermordet wurde, daß ich über ihn schreiben wollte und ob er mir nicht Bilder zur Verfügung stellen wollte. Und er hat mir geantwortet: »Trotzdem ich Ihnen mit dem größten Mißtrauen begegne, bin ich doch angetan von den freundlichen Worten, die Sie über mich gefunden haben.« Aber es ist dann leider nichts daraus geworden.“

Gruber sammelte nicht nach Namen, nach Epochen oder Stilrichtungen – zusammengetragen wurden die Bilder, die ihn persönlich ansprachen. „Und das waren meistens Bilder, auf denen Menschen zu sehen waren. Ich habe mich später ja ganz besonders für das Porträt interessiert, weil die Photographie ist das, was sozusagen übrigbleibt, wenn der Mensch verschwunden ist. Mich interessieren aber auch gute Reportagephotos und Versuche der künstlerischen Gestaltung.“ Gerade angesichts der jetzigen Ausstellung im Museum Ludwig betonte er, „daß in der Sammlung auch ganz harte Bilder sind.“

Als ausgewiesener Kenner der Photographie mit guten internationalen Kontakten wurde Gruber nach dem Zweiten Weltkrieg als Organisator der Kölner Photokina engagiert. „Ich war glücklicherweise zur richtigen Zeit der Richtige. Aber ich habe nur unter der Bedingung mitgemacht, daß ich einen kulturellen Teil organisieren konnte. Denn niemand hatte eine Idee von der Universität dessen, was die Photographie leisten kann auf vielen Gebieten. Und ich habe es damals als meine Aufgabe betrachtet, gerade das zu zeigen in den sehr unterschiedlichen Themenstellungen der Autoren.“

Diese als „Bilderschauen der Photokina“ in die Photogeschichte eingegangenen Ausstellungen hatte nicht nur in Deutschland enormen Erfolg. Selbst die Amerikaner „bewunderten die Tatsache, daß hier in Köln die Photographie als Medium und nicht nur als kommerzielles Objekt gezeigt wurde.


Begegnung mit Sander

Gruber bemühte sich auch um vertriebene oder in Vergessenheit geratene Photographen. Ende der 40er Jahre traf er zufällig in Deutz August Sander. Verbittert darüber, daß sein Sohn im Gefängnis gestorben war und die Nazis seine Bücher vernichtet hatten, hatte Sander sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen. „Dem habe ich dann gesagt: Herr Sander, wir müssen Sie mal wieder zeigen!“ 1951 fand auf der Photokina die erste große Sander-Ausstellung nach dem Krieg statt.

Edward Steichen, damals schonDirektor am Museum of Modern Art und mitten in der Planung zu seiner großen Schau „The Family of Man“, hatte von der Ausstellung gehört und kam deshalb 1952 nach Köln. Gruber brachte ihn mit Sander zusammen, und er wählte drei Bilder für sein Projekt aus.

Auch wenn L. Fritz Gruber als Sammler und Ausstellungsmacher beide Tätigkeiten „sehr voneinander trennte“, kam es natürlich zu Überschneidungen. Diese waren vor allem persönlicher Natur, denn er reiste viel und pernte berühmte Photographen kennen, mit denen er zum Teil jahrzehntelange Freundschaften unterhielt. Noch heute gehören Irving Penn oder der ebenfalls 90jährige Yusuf Karsh zu seinen Freunden. Viele Photographen schenken ihm Bilder für seine private, von Ehefrau Renate betreute Sammlung – eine Kollektion, deren Genese im Zeitalter der Rekordpreise geradezu nostalgisch erscheint: „Ich habe nie etwas auf einer Auktion gekauft. Und ich habe nie etwas verkauft. Ich habe nie aus materiellen Gründen gesammelt. Nie aus der Idee, das würde mal viel teurer werden und man könnte es später verkaufen. Das war einfach eine Liebhaberei – keine Leidenschaft, die lag anderswo.“

Privat blieb die Sammlung bis zum Jahr 1972, als der Kunstverein Gruber einlud, eine Ausstellung zu machen. „Als ich damals aber zum ersten Mal rund 250 Bilder zeigen sollte, da habe ich Lücken gefüllt und ganz bestimmte Photographien, wie Bill Brandt in London, gekauft, um in der ersten Ausstellung ein abgerundetes, vorläufiges Bild zu geben. Und das ist mir auch gelungen.“ Inzwischen hat er sich von großen Teilen der Sammlung getrennt und sie als Stiftung ins Museum Ludwig eingebracht: „Ich bin immer schon mal gefragt worden, ob mir das nicht leid getan hätte, die Bilder wegzugeben. Und da habe ich immer den Vergleich gebracht: wenn man eine heiratsfähige Tochter hat, und sie heiratet gut in der eigenen Stadt, man muß nicht mehr für sie sorgen, kann sie aber ab und zu besuchen – das ist ein ähnlicher Effekt.“

Photographie im Museum ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Die Photographen haben Galeriewände und Museumssäule im Sturm erobert, ja produzieren ihre Bilder häufig direkt für diesen Zweck. Wie er diese Entwicklung beurteilt? „Tja, ich fühle mich teilweise schuldig. Ich glaube, daß wir große Anstöße gegeben haben.“ Und welche Photoausstellung sollte einmal in Köln gezeigt werden? Gruber: „Ich würde gerne einmal eine Ausstellung von Robert Häuser in Köln sehen. Den halte ich für den bedeutendsten lebenden deutschen Photographen.“ Aus seiner eigenen Sammlung möchte er als nächstes einmal die „sehr ernsten Bilder“ zeigen: Reportagephotos von Cornell Capa, Werner Bischof, Rene Burri, Henri Cartier-Bresson und anderen.



— Kölner Stadt-Anzeiger, 06./07.06.1998






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